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Die Bremsen des Victoria–Gespanns

Na ja, die Bremsen sind eben da. Ob nun Halbnabenbremsen oder bessere wie bei der KR26 - egal!

So ganz egal ist das nicht. Zum Einen haben sich die Verkehrsverhältnisse seit den 1950er–Jahren erheblich geändert, zum Anderen auch die Ansprüche an ein verkehrstaugliches Motorrad mit passabler Sicherheit.

Heutige Autofahrer können oft nicht mehr einschätzen, dass unsere alten Kisten noch relativ schnell sein können. Nur zu oft musste ich schon auf den ersten Kilometern deswegen Notbremsungen vornehmen, und bei der Fahrt zur Zulassungsstelle wurde mir sogar der Rückspiegel abgefahren. Das ist nicht lustig!

Noch weniger lustig ist es, wenn der Bremsweg zu lang wird oder die Bremsen bergab gar versagen.

Daher folgen hier ein paar Hinweise für Freunde der Sicherheit (Symbol: zwinkern).

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Gebremster Seitenwagen

Wer schon einmal ein Motorradgespann mit gebremstem Seitenwagen gefahren ist, wird dieses Extra nicht mehr missen wollen. Beim Treffen in Bad Dürkheim 2014 schaffte es Klaus Riedesser, alle drei Räder aus etwa 15 bis 20 km/h zum Blockieren zu bringen - wow!

Auch die doch großen Vollnabenbremsen der Victoria KR26 tun sich schwer damit, ein Gespann mit Passagier im ungebremsten Boot in allen Fällen sicher und schnell genug abzubremsen. Vor allem sind dann Muskeln gefragt, weil nur das Motorrad, nicht jedoch der Seitenwagen gebremst wird. Das kann spätestens bergab übel ausgehen, weil das Gespann beim Bremsvorgang schwer nach links ziehen wird.

Klar ist jedoch, dass bei drei Bremsen weniger vorsichtig gefahren werden muss. Das kann durchaus Wettbewerbsvorteile bringen.

Die Einrichtung der dritten Bremse ist jedoch eher knifflig. Die Lösung mit einem hydraulisch betätigten Bremszylinder, der über das Bremspedal mit betätigt wird (ATE), hat einen entscheidenden Nachteil: Die Kombination ist statisch und erfordert ständige und genaue Justierung. Das gilt auch für doppelte, gekoppelte oder ungekoppelte Pedale.

Daher wurde das Problem „Integralbremse” schon beim alten Gespann anders angegangen: mit einer Ausgleichswaage, von der im nächsten Abschnitt die Rede ist.

 

Die Ausgleichswaage

Die Ausgleichswaage für die Bremse im Rohbau.
[ ± ].

Die Waage des alten Gespanns ist leider samt dessen Rahmen in den Altmetall–Container gewandert - also musste eine neue gebaut werden. Das erste Bild zeigt den Rohbau. So ein Teil darf nicht verchromt werden!

Statt des Bremspedals einer KR26 wurde das einer KR25 angebracht. Da das viel weiter vorne gelagert ist, nämlich bei der Fußraste, entsteht genug Platz für die Waage. Deren unteres Auge hinten wirkt über eine Zugstange mit zwei Gabelschrauben auf den Umlenk­hebel für das Hinterrad. Der wird - wie das KR26–Bremspedal - mit einem Keilstift gegen Verdrehen gesichert. Das obere Auge nimmt den Halter für den Bremszug zum Seitenwagen auf. Das zweite und dritte Foto des Abschnitts zeigen die Konstruktion.

Wichtig: Die Gabel der Waage muss hinreichend lang sein. Die Maße und Winkel müssen so beschaffen sein, dass sich die Hinterrad­bremse auch noch problemlos bedienen lässt, wenn der Zug zur Seiten­wagenbremse reißen sollte. In diesem Fall bildet sich eine mehr oder minder waagerechte Linie zwischen dem Auge des Bremspedals und dem unteren Auge der Waage.

Dieser Fall wurde nicht nur berechnet, sondern auch getestet. Das Bremspedal muss in diesem Fall vorn etwa 4,5 cm tiefer getreten werden, was noch unproblematisch ist.

Da der Bremsschlüssel der Seitenwagenbremse (er entspricht dem eines Vorderrads) länger ist als der des Hinterrads, bremst das Seitenwagenrad leicht früher und stärker als das Hinterrad. In Kombination mit der Vorderradbremse lässt sich das wunderbar dosieren und nutzen. Das Bremslicht geht erst an, wenn auch die Hinterradbremse richtig greift.

 

Das Bremspedal

Der bekannte Motorrad–Journalist Helmut Hütten rezensierte am 7. November 1953 die Victoria KR26 N. So wohlwollend der Bericht insgesamt ausfiel - etwas Kritik gab es doch, darunter die Stellung des Bremspedals.

Das steht wie auch bei den KR25 so hoch, dass der Fuß vor dem Bremsen erst darüber gehoben werden muss. Das ist eine gefährliche Angelegenheit, weil es die Reaktionszeit sehr verlängert.

Zum Glück lässt sich da 'was machen. Die Pedale haben bei der KR25 hinten einen Anschlag, der sich am Pedalhalter abstützt. Der ist groß genug, um da eine verstellbare Anschlagschraube M3 anzubringen.
Bei den späteren KR26 hat der linke Schlüssel an der Umlenkwelle eine Verdickung, die wohl für eine Begrenzung am Rahmen gedacht war. Die wurde jedoch nie eingeführt. Allerdings sollte es für findige Bastler nicht weiter schwierig sein, so ein Widerlager mit Einstellschraube anzufertigen.

 

Vorn: „schwimmende” Duplexbremse

Duplexbremsen haben zwei Nocken, welche die Bremsklötze an die Trommel drücken, Simplexbremsen nur einen, der beide Beläge auf einer der Seiten andrückt.

Letzteres hat den entscheidenden Nachteil, dass nur eine Bremsbacke mit der auflaufenden Seite an die Trommel gedrückt wird - auf die kommt es jedoch an.

Die meisten Duplexbremsen wirken hingegen nur auf die auflaufende Seite je einer Bremsbacke, während die andere Seite starr gelagert ist. Außerdem werden die zwei Bremsschlüssel meist über eine Zugstange verbunden, was keinen automatischen Ausgleich zulässt. Das ist beides auch nicht so prima, wenn auch schon deutlich besser.

Schon 1989 wurde eine andere Lösung gebaut: eine Duplexbremse, bei der beide Seiten beider Beläge durch die Nocken an die Trommel gedrückt werden. „Schwimmend” nenne ich die Lösung, weil beide Backen kein Festlager mehr haben, sondern nahezu frei gelagert seid, und sich beide Bremsschlüssel flexibel annähern können (da über den Zug verbunden).

Zum Glück konnten wir das Rad des alten Gespanns samt der Bremse zurückerobern - was uns einigen Bastelaufwand erspart hat. Im nächsten Abschnitt wird der Umbau beschrieben.

Die zweite Nockenwelle muss auch von einem Vorderrad stammen (sie ist kürzer als die vom Hinterrad). Außerdem braucht es für deren Lagerung eine Buchse mit 16 mm Außen–, 12 mm Innendurchmesser und etwa 25 mm Länge.

Auf dem Foto ist zu erkennen, wie beide Schlüssel angelegt werden. Oben ist der eines Hinterrads mit einem Querbolzen. Der nimmt die möglichst lange Halterung für die Bowdenzughülle auf, während der untere Schlüssel wie gewohnt das Nippel des Innenzugs bekommt.

 

Der Umbau zur Duplexbremse …

Der zweite Nocken der alten Duplexbremse nach der Überholung.
[ ± ]. Der zweite Nocken.

…ist durchaus machbar. Benötigt werden eine Nockenwelle (Vorderradbremse) und der Bremsschlüssel eines Hinterrads.

Der wohl kniffligste Teil des Umbaus dürfte darin bestehen, das Festlager aus der Bremsplatte auszudrücken. Offen gestanden weiß ich nicht mehr, wie ich das damals gemacht habe, sehr wahrscheinlich jedoch mit einer Vorrichtung und Wärme, die mit einer Flamme der Bremsplatte zugeführt wurde.

An Stelle des Festlagers wird - wichtig, mit einer Unterlegscheibe! - die neue Nockenwelle eingesetzt. Sie fällt außen darum etwas kurz aus, sodass der Schlüssel ohne Scheibe aufgeschraubt werden muss. Vorab sollte jedoch unbedingt noch ein M6–Gewinde für ein Schmiernippel angebracht werden, und es braucht die im letzten Abschnitt erwähnte Buchse.

Das zweite Foto zeigt, wie die Bremsklötze auf der Festlager–Seite modifiziert wurden: mit 2mm–Blechen, deren Enden umgebördelt sind. Trotz der „Luft” in der Mitte sind die Plättchen stabil genug.

Der Einbau des Zugs ist etwas knifflig. Je nach Stellung der Brems­schlüssel greift er oder eben nicht. Es funktioniert prima, wenn an den Muttern beider Wellen Schraubenschlüssel angesetzt und damit der Punkt des geringsten Abstands ermittelt wird. Doch auch dann braucht es für die Montage (halten, anziehen des Schraubnippels) zwei Personen - oder einen Spannriemen.

 

Bremsbeläge überholen

Ein verglaster und ein frisch abgeschliffener Bremsbelag.
[ ± ]. Bremsbeläge.

Mit der Zeit „verglasen” die Bremsbeläge. So alle 2.000 km etwa schadet es daher nicht, sie neu anzuschleifen und zu prüfen. Das erste Bild links zeigt einen Belag nach knapp 1.700 km mit höherer Belastung und rechts das soeben mit grobem Schleifpapier gereinigte Gegenstück.

Typischer Weise setzt sich zwischen Belag und Trommel Bremsabrieb ab, ein fieser Staub. Bei noch kräftigen Belägen lässt sich das verzögern, wenn dort nicht zu tiefe, diagonale Schlitze angebracht werden (das klappt gut mit einer Puck–Säge).

Solche Schlitze sind auf dem zweiten Foto zu sehen. Die Schrägen sollten so liegen, dass ihr hinteres Ende zur Trommel–Innenseite hin weist. 0,5 mm Tiefe sind mehr als genug.

Aus eigener Erfahrung weiß ich das nicht. Weichere Beläge nützen sich schneller ab, bremsen jedoch besser. Erfahrene Schrauber haben mir geraten, diese nicht kleben zu lassen, sondern doch auf Nieten zu bestehen, weil der Kleber verspröden kann und sich die Beläge nicht so gut an die Trommel anpassen können.

Wir sind aktuell außer vorne noch mit originalen, härteren Belägen unterwegs, werden das jedoch ändern und dann berichten. Auch so ist die Bremsleistung jedoch zufriedenstellend - und ich habe hohe Ansprüche.

 
 
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