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Reisen mit der Victoria: Elba 1989

Wisst ihr, was cool ist? Wenn man trotzdem lacht. Unsere erste gemeinschaftliche Reise 1989 auf die Insel Elba ist ein Paradebeispiel.

Nach den guten Erfahrungen in Umbrien 1988 konnte ich ein paar Kumpel überzeugen. Das schaffen wir auch auf eigener Achse, immerhin 1.150 km ab Frankfurt. Einer kam sogar aus Berlin angereist, was rund 600 Bonus­punkte je Strecke gibt!

Ich bin in Italien geboren und aufgewachsen, aber das hatte ich auch noch nicht erlebt: Es regnete. Es regnete nicht nur manchmal, es regnete fast immer. Und wenn es im Spätsommer in Italien regnet, wird das gründ­licher erledigt als die Motorrad–Fertigung: ganz oder gar nicht, sozusagen qualitativ (und mengenmäßig) hochwertiger Regen.

Damals fehlte uns eindeutig noch die Routine späterer Jahre. Das zeigte sich schon bei der Vorbereitung, wie wir gleich sehen werden.

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Die Anreise

Murphy's Law kennt sicher jeder: „If anything can go wrong, it will”. So war's auch hier. Heute sage ich: Gut so, denn daraus konnten wir lernen.

Wie üblich verzögerte sich die Abreise ein wenig, und so kamen wir am ersten Tag nur bis Freiburg. Also suchten wir uns ein Plätzchen für die Nacht. Das war schnell gefunden.

Meint Ralle zu Stephan: „Dann pack' 'mal Dein Zelt aus.”. Darauf Stephan: „Wieso ich? Ich denke, Du hast eines dabei?”.

Ganz toll! Fünf Mann, Dauerregen, und der einzige mit Zelt bin ich. Zum Glück ist das eine Sonderanfertigung mit Übergröße, 2,60 × 2,40 m Innenraum und mit einer großen Apsis für unseren Krempel. Aber gleich fünf Mann? Für eine Woche?

Als alter Italiener ahnte ich Schlimmes, als wir die Südseite am Gotthard­pass erreicht hatten: Wolken und Regen. Das sah gar nicht gut aus.

 

Elba

Elba ist eine wunderbare Insel. Vor allem bei gutem Wetter. Bei nicht so gutem Wetter zeigt sich die Insel in der Toskana nicht ganz so von der freundlichen Seite.

Schlimmer: Unwetter im Sommer oder Spätsommer sind am Mittelmeer eine böse Sache. Wir haben am zweiten Tag einen netten Campingplatz gefunden. Am ersten hatten wir an der Zitadelle übernachtet, wo Bernhard Wicki 1975 den bekannten Film „Die Eroberung der Zitadelle” gedreht hatte. Die Polizei hatte da einen Erdwall aufgerichtet, um Touristen mit Autos abzuhalten. Die Jungs mit den Solo–Motorrädern kamen da natürlich locker drüber, und ich hin mit dem Gespann auch, aber zurück nicht mehr - da half nur ein kräftiges Seil.

Nicht nur der Erdwall störte, die Mücken taten es auch. Der arme Stephan wurde alleine am Rücken 37 mal gestochen und sah ein bisschen aus wie ein Streuselkuchen.

Wie auch immer, ab dem zweiten Tag waren wir frohgemut auf einem Campingplatz nahe Rio Marina. Und da zeigte sich erst, was italienischer Hochleistungsregen ist - sehr beeindruckend nämlich. Dieser Platz hatte, nicht untypisch, eine auffallend steile Einfahrt.

Uli zeigte Gemeinschaftsgeist, schlüpfte in den Regen–Overall und begann mit einem Esslöffel, Wasserablaufgräben um das Zelt zu ziehen - nicht der schlechteste Gedanke.

Die anderen drei Gefährten schauten mich plötzlich erwartungsvoll an. Mir wurde leicht komisch. Schließlich raffte sich einer auf und brachte die Forderung vor: „Wir brauchen Pizza, Zigaretten und Wein. Und mit den Solo–Motorrädern kommen wir hier weder 'raus noch können wir das transportieren.”. Autsch! Da lag der schwarze Peter wohl bei mir.

 

Joe Cocker als Pizzabäcker

Missmutig steige ich in die Regenklamotten. Aber da hilft sich nichts - schließlich bin ich auch an Nahrung, Wein und Zigaretten interessiert. Whoa! Schon auf der Auffahrt (wo das Wasser nun wirklich gut abfließen kann) steht es 20 cm hoch. An einer ebenen Stelle auf dem Weg nach Rio Marina wird's kritisch: Das Wasser steht bis fast zum Luftfilter, die Auspufftöpfe blubbern (noch) froh unter Wasser. Jetzt bloß Gas geben, damit das Wasser nicht zuviel angesaugt wird!

Dretschnass steuere ich die erste Pizzeria an. Der Regen hat für Kundschaft gesorgt. Der Laden brummt. Ich trage dem Wirt mein Begehr vor. Er fragt nach und ich bin platt. Könnt ihr euch Joe Cocker auf italienisch vorstellen? Gut, denn das war's.

Groß Mitspracherecht hatte ich nicht. „Quanti siete?” (wie viele seid ihr), fragte er mit etwa drei Parmesanreiben im Hals, und als ich „In cinque” (zu fünft) antwortete, meinte er, dass wir 20 „tagli” (Stücke) brauchen. Dann fiel der kritische Blick jedoch auf meinen tropfenden Helm. „Und wie willst Du das transportieren, he?!”. Ich daraufhin frohgemut: „Ho una moto con un sidecar” (ich habe ein Motorrad mit Beiwagen). Zack, war die Pizzeria leer und alle standen draußen im Regen, um das Teil zu bewundern.

Nachdem somit der interkulturelle Austausch erledigt war, zog ich los zum nächsten Tabaccaio (Zigarettenladen). Nach meiner Rückkehr und den Formalitäten wurden mir Pizza und Wein sogar an's Boot geliefert (Symbol: zwinkern).

 

Der Vespa–Gaszug und die „1.000er Krachiwulli”

Irgend jemand kann mir das bestimmt erklären. Warum beschließt der Gaszug einer Vespa, ausgerechnet auf dem Passo del Bracco oberhalb Cinqueterre, bei Eiseskälte und mitten in der Nacht zu reißen? Bei jedem „normalen” Motorrad wäre das ja nicht so schlimm - aber bei so einem verbauten Roller …

Na ja, auch das haben wir mit dem Benzinkocher als Lötflamme geregelt bekommen. Bei dieser Reise war Stephan mit seinen wenigen Pferden ein bisschen benachteiligt, das gebe ich zu.

Auf dem Rückweg nach Deutschland gab's auf der Gotthardstraße eine Baustellenampel. Das juckte uns weniger: Solange das Moped fährt, heißt es „bloß nicht anhalten”. Unser Vespa–Fahrer nahm das etwas genauer. Wie er so vor der roten Ampel steht, macht es „wroom–tschack”, und neben ihm hält eine (so sein späterer Bericht) „1.000er Krachiwulli”. Der Fahrer mustert ihn mitleidig von Kopf bis Fuß.

Die Ampel springt auf grün. Der Mann wirft noch einen Blick auf den kleinen Roller, murmelt „hartes Brot …”, und „röharr” - weg ist er.

 
 
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