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Die Eigenbau–Koffer des Victoria–Gespanns

Ein altes Gespann lädt förmlich zu längeren Reisen ein. Immer gemütlich entlang der Landstraße, halten, wo es beliebt, kurzum: Das ist die Entdeckung der Langsamkeit. Hotel? Zelten? Alles kein Thema.

Leider wollen dabei viele Sachen mitgenommen werden, und zwar nicht nur Werkzeug und Ersatzteile, sondern auch Espressomaschine, Klamotten zum Wechseln und allerlei anderer Krimskrams. Dafür bietet der Kofferraum des Beiwagens nicht genug Platz, und auch der große Tankrucksack (ja, ganz wie damals das Modell von Levior) reicht nicht aus.

Also wurden sowohl beim alten Motorrad 1988 wie auch bei dem neuen Koffer gebaut. Die beiden Paare sind fast baugleich - nur dass die Schräge bei den neuen Koffern steiler ist, weil ein Betrieb mit Sozius nicht mehr vorgesehen ist. Hier beschreiben wir den Bau.

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Die Grundkonstruktion

Die Kofferwände sind aus 6 mm starkem Sperrholz (gut abgelagert). Die Teile wurden angezeichnet, mit der Stichsäge zugeschnitten und mit dem Elektrohobel an den Kanten geglättet.

An den Kanten dienen Leisten mit rund 15 × 15 mm als Versteifung. Um Geld zu sparen, haben wir die selbst aus einer passenden, breiten Leiste zugeschnitten. Geklebt haben wir mit Ponal® „Super 3”, einem wasser­festen Holzleim. Die Klebekanten haben wir vorab mit einem Schwamm und einem Gemisch aus Wasser und Spülmittel angefeuchtet. Dadurch zieht der Klebstoff besser ein und hält später auch besser.

Da sich viele Stellen, gerade an den Winkeln, nicht gut mit Schraub­zwingen anpressen lassen, wurden kurze Spax®–Schrauben eingesetzt. Diese haben wir vor dem Bezug wieder entfernt, was ein Fehler war.

Beim alten Gespann war noch der Betrieb mit einem Sozius oder eher einer Sozia auf dem Beifahrersattel vorgesehen (eher als Notlösung, denn das macht nicht wirklich Spaß). Das ist beim neuen Gespann nicht mehr vorgesehen, daher darf die vordere Schräge steiler ausfallen. Das vergrößert das Volumen auf 13,6 l je Koffer. Ganz entfallen darf sie wegen des Kickstarters nicht, außerdem sähe das nicht so gut aus.

 

Tüftelei: Deckel und Kastenschloss, Behandlung

Ganz so trivial ist die Sache nicht. Schließlich sollten die neuen Koffer so wie die alten wasserdicht sein. Das ging beim linken Teil prompt daneben.

Das Bild zeigt die gesamte Konstruktion. Die Aussparung in der inneren Leiste außen dient für die Aufnahme des Gegenstücks für das Kastenschloss. Das Scharnier ist ein Stück vernickeltes „Klavierband”. Da der linke Koffer eben leider nicht dicht ist, rostete das im Winter schneller als eine eloxierte Ausführung. Patina pur, aber keine Rede von schön …

„Viel hilft viel” - die Redensart kam auch hier zum Einsatz. Das Scharnier wurde wieder abgebaut. Dann folgten zwei Anstriche mit einem hoch­giftigen, heute wahrscheinlich gar nicht mehr erhältlichen Holzschutz­grund. Jede Schicht braucht gut 24 Stunden, bis sie durch­getrocknet ist, dasselbe gilt für die nächsten Anstriche mit einer farblosen Lasur. Da ist Geduld gefragt.

Beim zweiten Koffer waren wir etwas schlauer und verwendeten für die Stege innen Sperrholz statt Presspappe, außerdem gibt es da Gummi­lippen aus einem alten Schlauch an den Auflagern, aufgeklebt mit Pattex von Henkel®.

Den zweiten Koffer ereilte das Schicksal so vieler Projekte: Der Rohbau stand zwar im Herbst 2014, bis zur Fertigstellung sollte jedoch ein Dreivierteljahr vergehen. Der einleuchtendste Grund: Grundierung und Lasur sollten nur bei 20 ° oder mehr aufgetragen werden, und das im Freien - und diese Temperaturen gab's nun 'mal nicht mehr.

 

Bezug, Profile, Details

Nach einem Anschliff haben wir das Kunstleder aufgeklebt, wieder mit dem besagten Weißleim. Das hält prima. Die goldgelb eloxierten Kasten­schlösser haben wir angeschliffen, matt silbern gespritzt und die Farbe im Gasofen eingebrannt. Heute würde ich gleich zu Spannschlössern aus Edelstahl greifen.

Das größte Problem ist der umlaufende Bezug des Deckels an der Scharnierseite. Da besteht immer die Gefahr, dass Wasser eindringt. Unser schönes Konzept ging leider nicht auf - das listig gefaltete Kunstleder wurde an dieser Stelle schnell mürbe und bekam Risse.

Auch wurde der Überstand nicht großzügig genug geplant - beim Schließen des Deckels müssen wir darauf achten, dass alles immer schön außen liegt.

Leider ließ sich auch auf Fotos nicht erkennen, wie ich das damals gelöst hatte. Ich weiß nur noch, dass beide Koffer absolut regenfest und wasserdicht waren. Wie auch immer, nach langem Tüfteln fanden sich zwei geeignete Lösungen.

Die Anbringung der Spannschlösser ist eine Kunst für sich. Da gilt es eine akzeptable Vorspannung zu finden. Auch das klappte beim ersten Exemplar nicht so dolle. Die Aluwinkel (10 × 10 × 1 mm) zuzuschneiden und anzukleben, war hingegen trivial, ebenso die Fertigung der Laschen aus Aluminium und der vernickelten Abstandshülsen für die Anbringung (damit sich der Deckel Richtung Gepäckträger öffnen lässt).

 

Der zweite Koffer

<seufz /> Manche Aufgaben brauchen eben länger. So ging es auch mit dem rechten Koffer. Der Rohbau stand schon vor fast einem Jahr - aber dann tat sich lange nichts.

Das Warten hat sich jedoch gelohnt. Die Dichtung ist viel besser, außerdem lässt sich der Koffer ohne Verrenkungen schließen.

Der erste Sturzregen zeigte bald, dass der Koffer ebenso dicht ist wie die von früher. Über kurz oder lang werden wir das linke Gegenstück auch noch verbessern.

Wie auch immer, auch hier gab es Gelegenheit zu Erinnerungen. Beim alten Gespann waren die Koffer unten mit einem Korkenstück als Abstandshalter angepresst (an den Gepäckträger). Links war das dank einer Bohrung nicht nötig, aber rechts, weil die Bohrung da schon vom Kettenschutz belegt ist.

Bei der Anbringung vom Kistenschloss waren wir diesmal (im zweiten Anlauf) schlauer und brachten den unteren Teil mit einem Abstandshalter von 2 mm Stärke an. Das hält sehr gut und sieht auch noch gut aus.

Die erste Reaktion der Tochter (sie war bei der Fertigstellung und Anbringung nicht dabei) war geeignet, Frust auszulösen: „Und wie soll ich da jetzt bitte einsteigen?”. Anhand meines grummeligen Blicks muss sie wohl gemerkt haben, dass das der falsche Ansatz war (Symbol: zwinkern) . Tatsächlich bleibt nämlich genug Platz zwischen Koffer und Boot, um den linken Fuß auf den Seitenwagenrahmen zu setzen (siehe zweites Foto).

 

Nachtrag

Leider stellte sich heraus, dass die mit Pattex aufgeklebten Alu–Winkel beim neuen Gespann auf Dauer nicht halten. Besonders der rechte Koffer verzog sich ein bisschen und sprengte dadurch die Leisten ab. Das sollte also mit kleinen Edelstahl–Senkkopfschrauben verbessert werden.

Durch Regen, Kälte und Hitze fielen uns auch teils die inneren Teile der Zargen ab. Das war auch nicht schön, erstens wegen der Gefahr, dass da Wasser eindringt, und zweitens, weil die Kistenschlösser nicht mehr richtig halten, sondern eher die Außenwand verbiegen. Nach bald zwei Jahren hatten Hitze, Kälte und Feuchtigkeit beim rechten Koffer sogar den Boden abgesprengt. Er hing nur noch im Kunstledermantel. Die Spax® hätte ich doch drin lassen sollen (Symbol: traurig).

Der linke Koffer litt unter Undichtigkeit, war noch nie so ganz extraprima angebracht und seit dem Unfall von Anfang 2017 schon gar nicht - da hatte es auch ihn und vorne das Tagfahrlicht erwischt, gewissermaßen „volle Breitseite”.

Kurzum, da gab und gibt es noch Optimierungspotenzial. Die alten Koffer haben besser gehalten. Die Koffer wurden im Juni 2017 überholt und der linke besser angebracht. Das einst vernickelte Klavierband sollte noch durch Edelstahl ersetzt werden.

 
 
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